Palaestinensische Kinder haben ein Recht auf
Bildung und Wohlbefinden bzw. Wohlergehen


Pfarrer Dr. Mitri Raheb
Dr. Nuha Khoury

Bethleheml

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Israelische Panzer attackieren Dar al-Kalima School
Es ist Montag, der 11. Maerz. Es ist ein Schultag, aber heute gehen keine Kinder in die Schule, weder in Bethlehem noch in den meisten Orten Palaestinas. Die 240 Kinder der „Dar al-Kalima-Modellschule“ stellen da keine Ausnahme dar. Erst vor zwei Tagen sind drei israelische Panzer auf das Gelaende unserer neuen Schule vorgefahren. Wir hatten einen dringenden Aufruf zum Abzug der Panzer gleich am Samstag verschickt, und viele von Euch und Ihnen haben sofort dazu Stellung bezogen und verschiedene Aktionen gestartet. Noch am selben Nachmittag, aufgrund des Druckes auf die israelischen Behoerden, zogen die Panzer ab. Vom „Internationalen Begegnungszentrum“ konnten wir ueber das Tal beobachten, wie die Panzer das Schulgelaende verliessen. Doch wurde uns der Zugang zur Schule verwehrt. Ueber die ganze Gegend war von der israelischen Armee eine Ausgangssperre verhaengt worden. Niemand durfte sich auf der Strasse bewegen, nicht einmal Krankenwagen.

Unsere Kirche bat die israelischen Behoerden mehrmals, uns eine Erlaubnis zu geben, die Schule besuchen und den entstandenen Schaden in Augenschein nehmen zu koennen. Am Sonntag morgen wurde uns die Erlaubnis erteilt, im Dienstwagen des Bischofs zur Schule zu fahren. Nach dem Gottesdienst fuhren wir Richtung Schule, durch menschenleere Strassen – wie in einer „Geisterstadt“! Nach drei Minuten Fahrt auf der Hauptstrasse trafen wir auf die erste „Ueberraschung“. Der Anblick von Bethlehems einziger “Schnellstrasse”, bekannt unter dem Namen “Jerusalem-Hebron-Strasse”, wie sie da von Bulldozern aufgerissen und unbefahrbar gemacht worden war, schockierte uns zutiefst. Um die Schule zu erreichen, mussten wir umkehren, und eine andere Strasse probieren. Schnell war uns klar, dass das israelische Militaer alle Zufahrtsstrassen durch tiefe Graeben und Loecher zerstoert hatte. Als wir gerade an einem dieser Graeben parken wollten, bot uns eine Familie an, durch ihren Garten die Fahrt fortzusetzen. Das taten wir und erreichten so nach einer anstrengenden Fahrt endlich die Schule.

Waehrend der ganzen Fahrt verhandelte unser Bischof ueber sein Handy mit der israelischen Armee. Sie wollten wissen, wie jeder von uns angezogen sei. Nachdem sie diese detaillierte Information ueber unser Aussehen und unsere Kleidung erhalten hatten, erlaubten sie uns, das Auto vor der Schule zu parken, das Aussteigen jedoch untersagten sie uns. Sie teilten uns mit, dass sie um unsere Sicherheit besorgt seien, da wir von israelischen Scharfschuetzen umringt seien, die Befehl haetten, direkt zu schiessen, mit dem Ziel des Toetens. Da waren wir nun, guckten uns um, und sahen, dass die Gruenanlagen und Terrassen beschaedigt worden waren. Wir waren jedoch mehr in Sorge ueber die Schaeden in den Klassenzimmern, dem Computerraum, dem Erholungscenter (mit halbfertigem Schwimmbad) sowie an den kuenstlerischen Arbeiten von Schuelern und vielleicht auch an den Schuelerakten. Waehrend wir diese Zeilen schreiben, hat die israelische Armee die Schule wiederbesetzt! Um die Mittagszeit rollten die Panzer wieder auf das Gelaende und Soldaten wurden beobachtet, wie sie in die Schule eindrangen. Uns wurde auch berichtet, dass Scharfschuetzen auf dem Schuldach Stellung bezogen haben.

Der Hubschrauber-Landeplatz in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schule, wurde zerstoert! Den haben wir bisher immer als Parkplatz genutzt bei Schulfeiern, „Tag der offenen Tuer“ und aehnlichen Veranstaltungen. Wir befuerchten, dass die israelische Armee unsere Schule als Lager fuer die Hunderten von Zivilisten benutzt, die im nahegelegenen „Deheishe-Fluechtlingslager“ sowie in angrenzenden Doerfern verhaftet wurden und immer noch werden. Schulen sind dafuer da, Menschen zu bilden und auszubilden, und nicht, um sie darin einzusperren. Da niemand nur in die Naehe des Schulgelaendes darf, haben wir noch kein klares Bild, was in und um die Schule herum wirklich passiert.

Der tatsaechliche und der moralische Schaden an der Schule, die Zerstoerung der Zufahrtsstrassen, aber vor allem die seelische Belastung und Traumatisierung unserer Schueler und all’ der Kinder hier, vor allem aus den Fluechtlingslagern beunruhigt und sorgt uns zutiefst. Die Verpflichtung von „Dar al-Kalima“, zu einer hochstehenden Ausbildung sowie zu einer gesunden, intakten Gesellschaft beizutragen - und da gehoert gewaltloser kreativer Wiederstand elementar dazu - wird durch die Besetzung der Schule bis aufs Aeusserste herausgefordert. Trotz allem soll und wird die Schule weiterhin fuer die Schueler ein Ort des Wohlergehens und Wohlbefindens sein, der ihnen helfen will, alle Traumata positiv zu verarbeiten, auch die, die durch den letzten Angriff entstanden sind. Wir glauben an unsere Vision, palaestinensischen Kindern einen sicheren Ort der Bildung und Ausbildung zu gewaehrleisten, ein Ort, der ihnen erlaubt, eine bessere und hoffnungsvolle Zukunft fuer sich selbst zu gestalten und zu formen.

Pfarrer Dr. Mitri Raheb
Pastor der Lutherischen Weihnachtskirche, Bethlehem
Direktor des “Internationalen Begegnungszentrums” in Bethlehem
Dr. Nuha Khoury
Koordinatorin fuer “Dar Al-Kalima“

Quelle : www.annadwa.org