KMK-Konferenz Israel-Tag in den Schulen

Günter Schenk
5, rue des cigognes
F-67930 Beinheim

Frau
Prof. Dr. Johanna Wanka

Präsidentin der KMK

johanna.wanka@mwfk.brandenburg.de

Sehr geehrte Frau Professor Dr. Wanka,

aus Pressemeldungen entnehme ich, dass an deutschen Schulen ein "Israel-Tag" eingeführt werden soll. Erlauben Sie mir bitte dazu einige Bemerkungen. Es besteht Konsens: die Schuld unseres Volkes an den Juden Europas ist den nachfolgenden Generationen eine dauerhafte Verpflichtung.

Was ist nun gemeint mit "Verpflichtung"? Es ist eine Verpflichtung sowohl gegenüber den Überlebenden des Judeozids als auch gegenüber allen Menschen, welcher Rasse, Religion oder Weltanschauung sie auch angehören mögen, niemals mehr zu schweigen bei Unrecht aus Gründen der Zugehörigkeit, einer ethnischen Gruppe, einer Religion oder Glaubensrichtung.

Deutschland ist verplichtet, alle in seiner Kraft stehende zu unternehmen, damit schwere Verstöße gegen Menschen- und Völkerrecht in Zukunft verhindert werden. Dies ist die Legacy des 20. Jahrhunderts.

Es verpflichtet die Deutschen zum Schutze von Überlebenden der Schoah, wo immer sie sich befinden. Zu dieser Verpflichtung steht nicht nicht nur die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Deutschlands sondern auch die Regierung.

Nicht umsonst nennt der Deutschlandfunk eine seiner wöchentlichen Sendungen "Jüdisches Leben in Deutschland". Ja, hier in Deutschland. So ist es gemeint - und auch richtig. Niemand wird dann auch nur im Geringsten an jüdischem Leben in Israel oder irgendwo in der Welt etwas auszusetzen haben. Dies versteht sich von selbst.

Die halachischen Regeln bestimmen keinen Juden zu Menschenverachtung, zu Landnahme, zu Verbrechen. Ganz im Gegenteil! Landnahme und Unterdrückung, darum handelt es sich beim Staate Israel seit Jahrzehnten, darf nicht "im Namen der Torah" * geschehen. (*siehe Yakov Rabkin "Au Nom de la Torah - Une histoire de l'opposition juive au Sionisme", 2004, Les Presses de l'Université Laval, hoffentlich bald in dt. Sprache!)

Die Kultusministerkonferenz jedoch denkt nicht an einen Tag: Jüdisches Leben in Deutschland. Dies wäre auch garnicht sinnvoll, geht doch bereits aus dem GG der Bundesrepublik Glaubensfreiheit und Schutz der Menschenrechte hervor und, wie viele weitere Tage für "Leben in Deutschland" wären dann an Schulen wohl einzurichten?

Die Kultusministerkonferenz hingegen will, sollten die Meldungen stimmen, eine hervorragende Stelle an einem Tag im Unterricht an Schulen einem Staat geben, der nicht nur seit vielen Jahrzehnten einen beachtlichen Teil der eigenen Bevölkerung unterdrückt, ihr gleiche Bürgerrechte verwehrt, sondern ein fast 40 Jahre lang andauerndes unmenschliches und brutales Besatzungsregime aufrechterhält, mit Landraub, Unterdrückung, fortgesetzter und vorsetzlicher Körperverletzung, Entzug und Behinderung von Bildungsmöglichkeiten, Entwürdigung, Massenverarmung und dem andauernden Versuch der "sanften" Vertreibung, der Erzwingung von "freiwilliger" Aufgabe, dem Verlassen der Heimat.

Das ist, sehr geehrte Frau Minister, leider nicht alles: Der Staat Israel wurde gegründet nach Brandschatzen hunderter Dörfer und Ortschaften, Ermordung zahlreicher Menschen mit der Folge der Massenflucht der Bewohner. Das Ganze war mitnichten Folge der Attrocitäten deutscher Faschisten (wie auch, die waren besiegt und ihre Fratze war der Welt sichtbar) nein, dies war , in seiner "sanfteren Form" bereits vorgdedacht im Jahre 1895, nachzulesen in den Tagebüchern Theodor Herzls.... Ich zitiere wörtlich:

Theodor Herzl am 12. 06. 1895 in seinem Tagebuch:
"Die arme Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen, indem wir in den Durchzugsländern Arbeit beschaffen, aber in unserem eigenen Land jederlei Arbeit verweigern. Die besitzende Bevölkerung wird zu uns übergehen. Das Expropriationswerk muß ebenso wie die Fortschaffung der Armen mit Zartheit und Behutsamkeit erfolgen. Die Immobilienbesitzer sollen glauben, uns zu pressen. uns über dem Wert zu verkaufen. Aber zurückverkauft wird nichts"

Sehr geehrte Frau Minister, Ihnen als Wissenschaftlerin muss niemand erklären, wie mit historischer Wahrheit umzugehen ist. Ich fordere Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen der Kultusministerkonferenz auf, abzulassen von einem Vorhaben eines "Israel-Tages" an Schulen in Deutschland.

Ich möchte Ihnen, da ich seit einem halben Menschenleben in Frankreich wohne, hingegen sagen, wie Mitglieder eines Vereines hier in Straßburg, dem ich angehöre, mit der "offenen Wunde Nahost" umgehen:

Zwei Vereinsmitglieder, ein frz. Jude/Jüdin und ein frz. Muslem/Muslima gehen gemeinsam in Schulklassen um dort Friedensarbeit durch Information zu leisten. Schülerinnen, Schüler sind wissensdurstig, frühere Vorurteile (in den Stadtgemeinden Frankreichs leben nicht nur zahlreiche Schüler/Schülerinnen maghrebinischer Herkunft, Straßburg ist auch der Wohnort der größten jüdischen Gemeinde Frankreichs) werden überwunden. Friedensarbeit, keine Propaganda für einen Staat!

So sieht es aus, ein "Gegenprojekt" gegen einen furchterregenden und keinesfalls zielführenden "Israel-Tag". Sie werden, nachdem Sie dies gelesen haben, sehr verehrte Frau Professor Dr. Wanka, verstehen, warum ich entsetzt reagiere bei der Meldung Ihres, oder Ihrer KollegInnen, Vorhabens...

Der Nahe Osten hat anderes verdient als die blinde Unterstützung eines Staates, der die elementarsten Regeln des Zusammenlebens der Menschen missachtet, der zahlreiche Resolutionen der Vereinten Nationen negiert, der nie das geringste Zeichen einer Schuldanerkenntnis gegenüber seinen zahlreichen Opfern (ich denke mit Hochachtung und Dank an den Kniefall Willy Brands in Warschau!!) erkennen ließ.

Propaganda, schließlich, so sehr sie auch gewünscht wird von einem interessierten Staat, gehört nicht in Schulen. Nicht in Schulen Europas, nicht in Schulen in deutschen Bundesländern. Ein guter Geschichtsunterricht, Unterricht in Staatsbürgerkunde, geleitet von Wahrheit und Gerechtigkeit, dem Artikel 1 des GG verpflichtet, tut es.

Ich rufe Sie auf: lassen Sie ab von der unseligen Übernahme staatlicher Propaganda. Belassen Sie den Schulen den Auftrag, der ihrer und unseres Landes würdig ist: Erziehung zu unabhängigen, wissenden und verantwortungsbewussten jungen Menschen

hochachtungsvoll

Günter Schenk

- Mitglied im "Collectif Judeo-arab et citoyen pour la Paix" Straßburg
- Sprecher des "Aktionsbündnis für einen gerechten Frieden in Palästina"

N.B. la conférence des ministres de l'éducation des Länder de la République Fédérale d'Allemagne songe à établir dans les écoles publiques allemandes une "Journée d'Israel" (cela à titre informatif pour les média francais Cc)

zuletzt aktualisiert: 06. Mai 2005 | 15:42