KMK-Konferenz Israel-Tag in den Schulen

Dr. Izzeddin Musa
Am Bonner Graben 19
53343 Wachtberg
06.05.2005

Frau
Prof. Dr. Johanna Wanka

Präsidentin der KMK

johanna.wanka@mwfk.brandenburg.de

Sehr geehrte Frau Professor Wanka,

als Deutscher palästinensischer Herkunft bin ich zutiefst besorgt über Meldungen, nach der in deutschen Schulen ein Israel-Tag eingeführt werden soll. Ohne die besonderen Beziehungen Deutschlands und Israels in Frage zu stellen, frage ich mich, was an einem solchen Israel-Tag vermittelt werden soll. Das Land ist seit fast 38 Besatzungsmacht, knebelt mein Volk und zerstört dessen Lebensgrundlagen, missachtet seit seiner Gründung das Völkerrecht und verstößt permanent gegen die Menschenrechte. Glauben Sie ernsthaft, Sie könnten dies alles durch Ihre Nazi-Verbrechen rechtfertigen? Welche a-historische Geschichtsauffassung liegt einem solchen Anliegen zugrunde? Was glauben Sie, wie sich die Millionen von Muslimischen Schülern und Schülerinnen fühlen müssen, wenn ihnen beigebracht werden soll, wie ihre Glaubensbrüder versklavt werden dürfen, nur weil Deutschland in seiner Vergangenheit meinte, das europäische Judentum ausrotten zu müssen. Durch diese Maßnahme tragen Sie nicht nur zur Spaltung der Gesellschaft bei, sondern treiben Sie die Deutschen muslimischen Glaubens in die Radikalität. Wir sind schon die Opfer der Opfer. Wir wollen nicht noch zum zweiten Mal Opfer der Deutschen Vergangenheit werden.

Wenn das Motto stimmt, unter dem dieser Tag laufen soll: "Tell them the truth", dann kann ich nur sagen, dass unter diesem Slogan die Lüge zur Wahrheit gemacht werden soll. Völlig unverständlich ist für mich, dass die Deutschen sich dafür missbrauchen lassen. Die Verdrehung der Tatsachen findet schon seit Jahren in Deutschland zugunsten Israels statt. Ein Blick in die Publikationen z. B. der Bundeszentrale für politische Bildung gibt Aufschluss darüber, wie Propaganda Einzug in das Bewusstein von Schülern und Schülerinnen, Bürgern und Bürgerinnen hält. Bitte lesen Sie das Israel-Heft in der Reihe "Informationen zur politischen Bildung" und die Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte" Nr. 15/2005. Beide Publikationen haben nichts mit der historischen Wahrheit zu tun. Insbesondere unter dem Präsidenten der Bundeszentrale, Thomas Krüger, hat m. E. diese Desinformation Ausmaße erreicht, die nicht mehr hinnehmbar sind. Die KMK hat eine Sorgfaltspflicht und Verantwortung gegenüber den Schülern und Schülerinnen. Ich will es nicht länger hinnehmen, dass meine Kinder mit dieser einseitigen Israel-Propaganda einer Gehirnwäsche unterzogen werden. Wie es in früheren Jahren Nazi-Propaganda gab, soll diese jetzt durch Israel-Propaganda ersetzt werden. Ein Israel-Tag ergibt keinen Sinn ohne einen Palästina-Tag. Israel wurde auf den Trümmern des palästinensischen Volkes gegründet. Hier trifft palästinensische Wahrheit auf israelische Lüge.

Deutschland wird zunehmend wegen des Holocaust verpresst. Die Israellobby wird immer schamloser, und die Deutschen haben immer mehr Angst, nicht als antijüdisch verunglimpft zu werden. Ich finde dies als Deutsch-Palästinenser erbärmlich. Dass dieser Propaganda-Tag auch noch von einer zionistischen Teilorganisation der Jewish Agency gestaltet werden soll, zeigt, dass die deutschen Schulbehörden schon keine Eigenständigkeit mehr haben. Warum laden Sie nicht jüdische Israelis wie Felicia Langer, Amira Haas, Uri Avnery, Gideon Levy und andere ein, damit die Schüler einen realistischen Einblick in ein Land gewinnen, dass seit 38 Jahren ein brutales Unterdrückungsregime aufrechterhält? Wenn man glaubt, durch diesen Propaganda-Tag das schlechte Image Israels in Europa aufbessern zu können, verkennt man das natürliche menschliche Empfinden gegenüber Ungerechtigkeit und Rechtswidrigkeit: Dass Israel nach EU-Umfragen die größte Gefahr für den Weltfrieden darstellt, ist auf die Unterdrückungspolitik Israels und dieses menschliche Empfinden zurückzuführen. Sie wissen bestimmt, dass man einen Teil der Bevölkerung belügen kann, aber niemals die ganze Bevölkerung dauerhaft.

Bitte diskutieren Sie diese Problematik mit Ihren Kollegen in der KMK, behalten Sie einen kühlen Kopf und lassen Sie sich nicht durch die Israellobby unter Druck setzen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Izzeddin Musa

BLUMEN AUS GALILÃA
Schriften gegen die Zerstörung des Heiligen Landes
ISBN 3-85371-231-2, br., 216 Seiten, Euro 17,90, sFr 30,80
Herausgegeben von Fritz Edlinger, aus dem Englischen übersetzt von Eva Hirschmugl

Eine jüdische Geschichte erzählt von einem stummen Kind, das trotz intensiver ärztlicher Bemühungen niemals ein Wort sprach. Eines Tages, im fortgeschrittenen Alter von 10 Jahren, ließ es bei Tisch plötzlich seinen Löffel fallen und rief: "Die Suppe ist zu salzig!" Die Eltern fragten ihr Kind erstaunt, warum es all die Jahre geschwiegen hatte und es antwortete: "Bis jetzt war immer alles in Ordnung."

Mit dieser Anekdote erklärt Israel Shamir sein plötzliches Auftauchen in den politischen Medien Westeuropas. Der russisch-israelische Intellektuelle, Autor, Übersetzer und Journalist war bei seinen russischen Lesern schon lange bekannt. In englischer Sprache begann er erst zu schreiben, als im Januar 2001 israelische Angriffe auf Palästinenser ihn dazu zwangen, sich politisch einzumischen. Seine Artikel erschienen auf Internetseiten weltweit, wurden in zahlreichen Zeitungen und Magazinen abgedruckt und in Buchform in mehrere Sprachen übersetzt.

Inmitten der endlosen Verhandlungen um die Grenzziehungen zweier Staaten vertritt Israel Shamir - ähnlich wie es Edward Said tat - die Einstaaten-Lösung für ganz Palästina/Israel. "Blumen aus Galiläa" ist eine Sammlung von Essays, in denen sich Israel Shamir nicht nur für die Befreiung Palästinas ausspricht, sondern auch für ein weiter gefasstes Ziel einsetzt: die Befreiung des öffentlichen Diskurses.

Israel Shamir lädt uns ein zu einem Streifzug durch seine Wahlheimat und schenkt uns Einblick in deren Geschichte. Mit seinem bissig-literarischen Blick auf die Geschichte Palästinas zeigt Shamir, wie der Staat Israel im wahrsten Sinne des Wortes auf den Ruinen palästinensischer Städte und Dörfer errichtet worden ist. Historische Quellen dokumentieren mehr als 400 derartige Orte innerhalb der Grenzen des heutigen Israel. Seit der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 sieht sich das palästinensische Volk in seiner Existenz bedroht, Schritt für Schritt wird es seiner Lebensgrundlagen beraubt. Nach der Besetzung der Westbank und des Gazastreifens ist dieser Verdrängungs- und Vertreibungsprozess im eklatanten Gegensatz zu allen internationalen Normen auch auf die besetzten palästinensischen Gebiete ausgedehnt worden. Ein Volk kämpft um seine Lebensgrundlagen, aber auch um seine Geschichte, seine Kultur und seine Identität.

Der Autor: Israel Shamir, geboren 1947 in Novosibirsk, kam 1969 als Sohn jüdischer Eltern nach Israel. Er diente in der israelischen Armee in einer Fallschirmjägereinheit und kämpfte im Jom Kippur-Krieg 1973. Shamir übersetzte den Talmud, James Joyce, Homer und andere Klassiker in die russische Sprache. Shamirs umfassendes Wissen erlaubt ihm historische und intrakulturelle Querverbindungen herzustellen, die für Lesende aus dem Okzident oft etwas erfrischend Atemberaubendes haben. Als Journalist arbeitet er für das israelische Radio und für eine Reihe von Zeitungen in Israel, Russland und Japan. Seine Schriften wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, der Promedia Verlag unternimmt erstmals eine Übersetzung in die deutsche Sprache. Israel Shamir lebt in Haifa/ Israel. Er gehört zu den prominentesten jüdischen Vertretern des Konzepts eines gemeinsamen jüdisch-palästinensischen Staates.

Weitere Lesetipps:
Fritz Edlinger, Befreiungskampf in Palästina
Peter Feldbauer, Die islamische Welt 600-1250
Luxemburg

zuletzt aktualisiert: 06. Mai 2005 | 15:22